Blind Date von Roswitha Mecke und Martin Haeusler

Blind date © Roswitha Mecke

Wo ich bin? Draußen, im Garten. Nein, nein, ich muss nicht arbeiten, es ist doch Samstag. Genau, frei bis morgen früh. Die Oma? Die haben sie zu sich geholt, ich bin schon den ganzen Tag ganz alleine hier. Prima? Hast Du eine Ahnung. Scheiße ist das. Scheiße gelaufen. Ja, ich weiß, habe ich Dir nichts von erzählt. Niemand habe ich was erzählt. Aber wie soll ich denn sonst jemanden kennen lernen? Na, siehst Du, eben, das weißt Du auch nicht. Ein freier Tag pro Woche, sonst sitze ich ja immer nur bei der Oma. Oma hier, Oma da, Oma, Oma, Oma.

Was? Was gibt es da zu kapieren? Ein Mann, der eine gute Arbeit hat, und schon sage ich: Tschüs Oma, tut mir leid, aber ich habe jetzt meinen eigenen Haushalt. Wo ich den Typ aufgegabelt habe? Internet. Ich komme ja nicht raus hier. Super Mails hat er geschrieben, der stand auf mich, die Fotos weißt Du, ich habe doch extra von einer richtigen Fotografin Bilder machen lassen, so ein bisschen erotisch, da ist der voll drauf abgefahren. Treffen im “Hellas”, seinem Lieblings-Grill. Nein, nichts Romantisches, ein Grill, so ein Imbiss halt. Das habe ich gerade gut gefunden. Ein Mann, der nicht einen auf romantisch macht, nicht einen beim ersten Mal in ein teures Restaurant einlädt und dann nie wieder. Ich kenne die Typen, da ist mir der lieber. Ich hab kein Geld, er hat es nicht so dicke, wir gehen in seinen Lieblings-Imbiss. Ehrlich und gerade, da stehe ich drauf.

Und dann? Ach, scheiße, die Flasche ist leer. Noch eine kann ich nicht aus dem Keller holen, das würden die merken. Ach quatsch, ich besaufe mich nicht. Die erste Flasche war so ein fürchterliches Zeugs,, irgendwie zu alt, völlig bitter, die habe ich in den Teich gekippt. Verrückt? Sieht doch keiner, die Oma kriegt eh nichts mit. Die zweite war gut, habe ich vor Wut aber nach dem ersten Glas in den Teich gekickt. Ja, gekickt. Mit dem Fuß! Kick – schon lag sie drin, vereint mit den dämlichen Blumen.

Nein, der Typ hat natürlich Blumen mitgebracht, das machen die alle, gehört zum Programm. Scheiß Blumenzeugs. Scheiße alles.

Was mit dem Typ war? Was soll ich sagen? Dass er sofort mit mir ins Bett wollte? Mich fast vergewaltigt hätte?

Nein, beruhige dich, nein, nein, so war es ja nicht. Der Typ, also ich fand den gar nicht so übel. Aber? Ja das ist ja die Scheiße. Nach einer Viertelstunde ist er aufgestanden, aufs Klo oder so was. Und dann war er weg. Weg, verstehst Du, und ich saß da alleine mit diesen beschissenen Blumen.

Copyright Foto: Roswitha Mecke  Blog: Photolaboratorium
Copyright Text: Martin Haeusler

32 thoughts

  1. Sehr gut! Gefällt mir!Ist so schön wütend und fassungslos.
    Naja – ich halte rein gar nichts von diesen Internet Partnerschaftsportalen. Aber ich kann mir vorstellen, dass es gerade für Leute mit wenig Zeit, die einen Partner suchen, attraktiv ist.

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    • Ja, nicht wahr? Ich finde, dieses Foto spiegelt das ganze Können der Fotografie, ein tolles Beispiel für Roswithas Fotografikunst. Es ist wunderbar msytisch, dramatisch inzeniert. Man kann das Bild anschauen und total in einer spontan auftauchender Geschichte verlieren. Man kann sich nur verneigen. Ich bin sehr happy-lykkelig-gücklich Solches hier ziegen zu können. DANKE dir, liebe Roswitha.

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  2. Witzige Geschichte. So geschrieben, dass es die ganze Zeit fast ein bisschen weh tut und ich fast den Atem anhielt, was da noch kommt…

    Apropos… Meinen Mann hab ich übers Internet kennen gelernt, in einem Diskussionsforum zu einem Thema, das uns beide betraf. Und wenn mich jemand fragt, wie wir uns kennen gelernt haben und dann antwortet: “Ahhh, im Chäätroom?!”, dann bin ich fast ein bisschen allergisch drauf.

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    • Ja, liebe Marion, ich kann gut nachvollziehen was du meinst. Jeder hat so seine vorgefertigte Meinung und wehe…!
      Martins Geschichte ist in der Tat atemberaubend spannend-unterhaltsam, herzlichen Dank dir an dieser Stelle und Roswitha natürlich auch! Tusen takk! 🙂
      Wie Per Magnus es vorhin geschrieben hat, die beiden sind ein tolles Team, ich bin gespannt was Roswitha und Martin uns demnächst präsentieren.

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  3. Das Foto sieht aus wie ein altes Gemälde, wunderschön. Und die Geschichte passt gut dazu. Ich empfinde diese Single-Portale im Internet wie Menschen-Warenhäuser, ganz schlimm.

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  4. Sie… hätte ihm am liebsten gleich die Türe wieder vor der Nase zugeknallt. Er hatte höflich einmal zart geklingelt. Pünktlich war er… immerhin! Als sie dann öffnete, warum hatte sie nur noch immer keinen Spion in die Wohnungstür einbauen lassen, da sah sie es, ein Flasche Sekt und ein Strauß Billigrosen, beides von der Tanke nebenan. Nein, bitte… nicht schooon wieder! Sie seufzte, er guckte irritiert, stellte die Flasche auf die Matte, ließ den Kopf hängen, die Billigrosen fallen und rannte die Treppe wieder hinunter.
    Glück gehabt!
    Sie leerte die Flasche und schmiss sie zu den ersten zwei, die schon im hauseigenen Teich schwammen, die Rosen gleich hinterher. Rosen von der Tanke… die stinken… nach Benzin!
    Alle guten Dinge sind drei. Auch wenn sie diesmal schlecht ausgingen.

    Ein wunderbares Foto, eine wütend-schaurige Geschichte der Einsamkeit und ihrem Sehnen…

    herzlichen Dank für beides und herzliche Grüße an euch Zwei
    Frau Blau

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  5. Beeindruckendes Foto, das mir auf dem ersten Blick wie gemalt erschien und dann diese melancholische Geschichte voll halb gebändigter Wut. Das Bild: romantisch, die Geschichte. keine Spur davon. So richtig aus dem Leben gegriffen, denke ich. Ich bin gerade in Berlin und höre hier öfter solche Geschichten. Ja, mir scheint, dass man sich in der Großstadt nur übers Netz kennenlernen kann. Sehr witzig die Idee, zum Blind Date in einen Imbiss zu gehen. Ich finde das bizarr, es gab mir auch zu denken, wie ich so lebe.
    Liebe Grüße aus der Vivantes Klinik
    Klausbernd

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  6. Ja, mir gefällt’s auch sehr gut! Liebe Roswitha, lieber Martin ihr seid ein tolles Team, von euch beiden dürfen wir sicherlich demnächst viel mehr erwarten, ich bin gespannt.
    Mehr demnächst, ich bin gerade in Alaska, voll im Actionstress, genau wie ich es liebe! 🙂

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    • Danke Per Magnus, ich hoffe, wir werden demnächst lesen können, was du aus Spitzbergen, gerade in Alaska treibst.
      Ich habe soeben mit Klausbernd telefoniert, er lässt dich herzlich grüßen.
      God kveld, hhm god natt!
      🙂
      Klem fra Hanne

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  7. Also nee, Rosen von der Tanke sind doch besser als gar keine Blumen. Und beim Lieblings-im-Biss gibt es doch wenigstens was zwischen die Zähne und nicht nur Mini-Häppchen auf Silbertabletts unter silbernen Hauben, bei denen man gefragt wird, ob es noch ein Krokettchen mehr sein darf. Wo bleibt denn da die optimistische Grundhaltung. *mbg*

    Tolles Foto und klasse Geschichte. Super.

    Liebe Grüße, Szintilla

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  8. Great Photo. It says it all. It didn’t matter that in my ignorance I didn’t understand the text. My languages extend as far as English, American and Australian!

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