Etoille von einfachtilda und Klausbernd Vollmar

Seine Schwester hatte ihn gedrängt, sich endlich diese Ausstellung von Etoille anzuschauen, die sie bereits einmal mit und zweimal ohne Führung genossen hatte. Aber woher sollte er sich die Zeit nehmen? Aber heute begann sein Urlaub, für den er sich eh nichts vorgenommen hatte. Warum also nicht?

Das Bild mit diesen Glitzersternchen hatte er bereits bei seinem Zahnarzt in einer dieser Kunstmagazine gesehen. Eine ältere Arbeit der Künstlerin, die geschickt für das Plakat genutzt worden war. Etoille, das waren aber nicht nur Sternchen, hatte er gelesen. Etoille war der Hype moderner Fotografie. Obwohl er sich nicht sicher war, ob das wirklich Fotografie im Sinne der Abbildung der Wirklichkeit war.

Nach der Spritze verließ der Zahnarzt wie im Comic mit wehend weißem Kittel den fast ebenso weißen Raum.
“Wir warten bis sie wirkt. Ich komme in zehn Minuten wieder.”
Über die versteckte Drohung musste er innerlich grinsen und dieses Grinsen ging eine wohlige Entspannung über. Da fiel es ihm ein. Es war als ob eine innere Stimme aus diesem diskret versteckten Gerät am Schwenkarm zu ihm spräche: “Kunst ist die manipulierte Abbildung der Wirklichkeit.” Hatte er das in dem Etoille-Artikel gelesen, falls man das Lesen nennen kann, wenn man in aufgeregter Erwartung, ein wenig ängstlich sich im Wartezimmer fahrig am Text festzuhalten suchte ? Sich selbst als Chemiker und “Spezialist für Tintenherstellung” wie es seine Visitenkarte jedem Empfänger verkündete, traute er eine solche Einsicht nicht zu. Die Art der Manipulation ist Stil, kam ihn noch in den Sinn, bevor der Weißkittel an seine Seite gestürmt kam.

Das war seine erste Bekanntschaft mit Etoille gewesen, zu deren Ausstellung er seinen schwarzen Saab durch Hamburg lenkte.


Das erste Bild gleich hinter dem Galerieeingang verblüffte ihn. Anderes hatte er erwartet, die Sternchen fehlten. Doch sein Blick suchte keineswegs die Sternchen, nein, diese verzerrte Wirklichkeit zog ihn an, aber nicht als Wirklichkeit, sondern als die Illusion einer Bewegung in der Starre des Bildes.

“Wenn du zum Augenblick sagst, verweile doch, du bist so schön, ihn bannst, bist du des Teufels, doch hier sehen Sie die Wiederbelebung des Erstarrten in Ihrer fantasierenden Wahrnehmung …”, erklärte die Galeristin einem Glatzköpfigen im Schwarz mit Frau, und dann kam Etoille. Vieldeutiger noch als ihre Bilder. Sie kam in Rot, das Rot war eng, das Rot war kurz, rot auch ihre Lippen. Er starrte, wusste, dass dies unfein war, sie kam auf ihn zu.

Er verfluchte innerlich das Rauchverbot. Ein Zug nur, Lucky Strike rot, hätte ihm geholfen.
“Was denken Sie bei meinen Bilder?”, hörte er irgendwie unwirklich, betäubt, so wie er beim Zahnarzt war. Und dann berührte sie noch seinen linken Arm, führte ihn, den Willenlosen, doch nur an die andere Stellwand.
“Meine Lieblingsarbeit. Was fällt Ihnen hierzu ein?”
Wenn das ein Rorschachbild gewesen wäre, hätte es ihn entlarvt in einer Sehnsucht, seinem Wunsch. Aber wie hatte seine Mutter stets gepredigt? In Gefahr und Not helfen die Klassiker, aber hier? “Halb zog sie ihn, halb sank er hin, da war`s um ihn geschehen” fiel ihm ein und er wusste, dass er da irgendetwas vertauscht hatte.
Er sah die Herrin des Sees aus den Fluten auftauchend, zitternd oder zitterte er?

“Des Fischers Vision”, 2012, 3500.- €

Das war im Katalog zu lesen, der seine Rettung war.
Seine Rettung war zudem, dass sie ihn lächend zur nächsten Stellwand führte: “Etwas kühler, wie ich es mag.”
Endlich hatte er seine Contenance wiedergewonnen. Sah erst das Bild, dann Etoille an: “Die Rettung ist weit”, sagte er unwissend warum.
“Näher als Sie glauben”, sagte sie und wandte sich ab.

Coypright Fotos: Einfachtilda
Copyright Text: Klausbernd Vollmar

37 thoughts

    • Me too, ich finde Klausbernd hat eine faszinierende Textbegleitung für deine stimmungsvollen Photos geschrieben, eine schöne und gelungene Zusammenarbeit. Ich bin richtig froh und stolz Euch allen, damit sind jetzt alle Photolieferanten inklusive Textlieferant Martin gemeint, hier präsentieren zu können. ja, es ist mir eine große Ehre und es macht sehr viel Spaß mit Euch. Tusen takk!

      Hjertlig takk
      Dina

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    • It`s fun working together with you, dear Dina, and all the photographers and Martin, too! 🙂
      Happy holiday. The pleasure is mine.
      Klausbernd 🙂

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  1. I slept poorly and woke in a funk and it turned me around in a good way to look at this post. Because I read your wording poorly translated into English it’s a bit tough to understand sometimes but it makes for a cool surreal quality, and in this one I was able to get the feel of the story more and how it fit with those gorgeous images. Together they were wonderful to experience.
    Jennifer

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    • Hi Jennifer,
      well, the google translator ist a baby and a maschine. It’s sometimes hilarous what comes out, it’s hard to understand, I know. Even funnier…let Google retranslate the text into the original language… now the native speakers can’t understand it.
      It’ll be interesting to see what it ca do in a year or two. It’s really time and moneyconsuming to develop a programme like this.

      Klausbernd Vollmar and Konrad Lenz, both professional dreaminterpreters, offer the dreamers a highly sophistcated automatic word recognition programme on http://www.traumonline.eu. I find this programme surprisingly accurate.

      Have a lovely day,
      greetings from the Rhine Valley
      Dina

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    • I’ll have to try that although I sort if like the surreal feeling and trying to catch the thread. As an English speaker it’s so seldom that I’m the one in that position. Very interesting!

      Hope your day is a good one
      Jennifer

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    • Dear Jennifer,
      thank you very much 🙂
      Actually it is a story about freezing time in a picture. That relates to Goethe`s “Faust”. If Faust wants to hold the time because it is so great his soul goes to the devil.
      Wishing you an easy day
      Klausbernd

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  2. Great pictures Mathilda!
    Dear Klausbernd, I love this story, your writing is magic.
    Love and greetings to you all from Stockholm
    Buchdame

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    • Das ist die Rettung, sich auf etwas außerhalb seiner selbst zu konzentrieren – es hilft!
      Danke 🙂 und liebe Grüße
      Klausbernd

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  3. Die Farben der mittleren zwei Bilder gefallen mir besonders. ´
    Die Geschichte zu den Foto passt wie immer super.Wieder ein gelungenes Zusammenspiel zwischen Fotos und Text.

    Liebe Grüße, Szintilla

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    • Dankeschön, liebe Szintilla. Du machst das ja auch von deinem Blog, dieses interessante Zusammenspiel von Text und Bild.
      Liebe Grüße
      Klausbernd

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  4. heute bekommt deine Geschichte, lieber Klausbernd, von mir 5 Sternchen, jawoll! mehr kann man eh nicht kriegen, wenigstens nicht von mir
    und Mathilda, deine Bilder sind absolut wunderbar, für die Sternchen hast du ja schon selbst gesorgt 😉

    gaaanz liiiiiebe Grüße und euch allen ein tiefes Dankeschön fürs ausstellen (Dina), fürs Geschichtenweben (Klausbernd) und für die KünstlerInnen (Mathilda jetzt)

    Frau Blau

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  5. etoille fotografiert étoiles … jetzt hatte ich also wirklich eine lange leitung, :-). kein wunder nach so einem langen tag.

    hach, mein romantisches herz mag solche bilder sehr, jawohl. sie liebkosen meine augen 🙂

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  6. Wunderbare Bilder, liebe Tilda..allesamt, aber am meisten packt mich das erste.. 🙂 und deine Geschichte harmonisiert perfekt damit, lieber Klausbernd – und löst viele Assoziationen aus bei mir.. z. B. die Herrin des Sees … “Lady of the Lake” von Rainbow .. “I know she waits below, only to rise on command – when she comes for me, she’s got my life in her hands…” .. und ich muss seit langem mal wieder an die “Nebel von Avalon” denken..

    Näher, als Sie glauben..” das ist sehr tröstlich 🙂

    Liebe Dina, ich schick dir ganz viele liebe Grüße und das Monsterchen guckt mich grad ganz groß an, ich soll dir unbedingt einen Nasenstubser von ihr mitschicken 😉

    bis bald,
    Ocean, die in den letzten Wochen einfach kaum rumgekommen ist im Netz .. ich gelobe Besserung 🙂

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    • Liebe Ocean,
      habe herzlichen Dank für deinen Kommentar. Schön, dass du wieder aufgetaucht bist 🙂 Bei mir halbbewusst nur klang die Erinnerung an Morgana Le Faye an, die Schwester von König Arthus, die Herrin über die Fluten. Darauf geht auch Zimmer-B. in “Die Nebel von Avalon” ein, wenn ich mich dunkel erinnere.
      Ganz liebe Grüße an dich und Monsterchen
      Klausbernd

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  7. Lieber Klausbernd,
    die Geschichte ist spannend und raffiniert. Klug, einen liebenswerten Spezialisten für Tintenherstellung erscheinen zu lassen, er hat uns begeistert.
    Wie bekannt ist eigentlich der “Tintenkleckstest” (der Roschachtest), der zu den bekanntesten psychodiagnostischen Tests eingestuft wird, frage ich mich? Werden die entlarvenden Rorschachbilder die du erwähnst, ausschließlich klinisch benutzt?
    Liebe Grüße aus dem grauen Bonn
    die Rhine Maidens
    Dina, Siri und Selma
    x # #

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    • Liebe Dina,
      der Rorschachtest wird heute bisweilen noch diagnostisch in der Tiefenpsychologie verwandt, zwar nicht mehr so ausgiebig wie vor 30 Jahren und davor, aber er spielt eine Rolle. Ich habe ihn selber öfters benutzt und finde ihn einen guten Projektionstest. Allerdings ist er heute zu bekannt, um wirklich Verdrängtes zutage zu fördern.
      Ganz liebe Grüße dir aus dem Gartenhäuschen
      Dein Klausbernd xxx ###

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