Literary Norway: Karl Ove Knausgård

von Mara Giese, Buzzaldrins Blog.
Mara_Bandit
Mara Giese und Bandit sind unsere Vorleser.

I was invited by Selma Buchfee to write a portrait about the Norwegian author Ove Knausgard. I was happy to do so and immediately began working on it. Due to my insufficient language skills I can only write a brief summary for non-German blog visitors.  I am sorry for the matter but if I find many people interested I will continue working on it.
Karl Ove Knausgard is a mysterious author. His texts fascinate me  for several years now. Most popular is his novel „Min kamp“, which he considers a literate suicide. Knausgard is a unusual and very intersting author and I can definitely recommend reading his works.

Sema Buchfee hat mich dazu eingeladen, ein Porträt über Karl Ove Knausgård zu schreiben. Dieser Bitte bin ich mit Vergnügen nachgekommen. Ich habe den norwegischen Schriftsteller Karl Ove Knausgård vor mehreren Jahren entdeckt, als ich seinen Roman „Alles hat seine Zeit“ förmlich verschlungen habe. „Alles hat seine Zeit“ ist ein seltsames Buch, das sich jeder Kategorie verweigert. Rätselhaft. Ähnlich wie der Autor selbst.

„Alles hat seine Zeit“ enthält Engel, philosophische Gedanken, biblische Fabeln, bis der Autor schließlich in einer Art Essay die Gegenwart erreicht. Ein reizvoller Roman, der jedoch ganz und gar nicht massentauglich oder gar leicht zugänglich ist.

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„Alles hat seine Zeit“ hat nach der Veröffentlichung fast ausschließlich bei literarischen Kennern Aufmerksamkeit erregt. Medial bekannt wurde Karl Ove Knausgård erst durch seinen sechsbändigen autobiographischen Roman „Min kamp“, mit dessen Arbeit er begann, als er neununddreißig Jahre alt war. Geschrieben hat er diese sechs Bände, die 3500 Seiten umfassen, in rekordverdächtiger Geschwindigkeit. Er bezeichnet sie als Form des „literarischen Selbstmords“.

„Min kamp“, der Titel kann als Provokation und Anspielung auf das berüchtigte Buch „Mein Kampf“ von Adolf Hitler gelesen werden und bestätigt den Eindruck, den der Autor bis dahin auf mich gemacht hat: rätselhaft. Knausgård – Vater von drei kleinen Kindern – breitet in „Min kamp“ mit schonungsloser Offenheit sein Leben aus. Er verschont bei diesem Vorgehen niemanden. Am wenigsten sich selbst. Er zerrt seine Kinder, seine Frau und seine Verwandten ins Rampenlicht; er macht aus seinem Leben eine Soap Opera, ohne seinem Umfeld bei dieser Entscheidung eine wirkliche Wahl zu lassen. Warum tut sich der Mann das an? Was hat Karl Ove Knausgård dazu getrieben? Die Entstehung von „Min kamp“ schildert Knausgård im Rückblick fast als ein Zufallsprodukt: Jahrelang hat er am Schreibtisch gesessen und versucht, die Geschichte seines Vaters mit dem Ziel aufzuschreiben, aus der Wirklichkeit Fiktion zu machen. Erfolglos. Er fand keine Worte, keine Sprache für seine Erinnerungen. Irgendwann benutzte er unbewusst den Namen seines Vaters, seinen eigenen Namen, den Namen der Straße, in der er als Kind gelebt hat. Wort für Wort, Satz für Satz und Seite für Seite entstand in den folgenden Monaten ein Erzählstrom, der nicht mehr abreißen sollte. Eine reißende Flut, deren Resultat die sechs Bände von „Min kamp“ sind.

Karl+Ove+Knausgård_collage

In Deutschland sind im Luchterhand Verlag bisher die ersten beiden von insgesamt sechs Bänden erschienen: „Sterben“ und „Lieben“. In „Sterben“ steht die Beziehung zwischen Knausgård und seinem Vater im Mittelpunkt, der die Familie verließ und schließlich als schwerer Alkoholiker im Haus seiner Mutter verstirbt. „Sterben“ enthält für mich eine der eindrucksvollsten und bedrückendsten Szenen der Gegenwartsliteratur: Knausgård beschreibt, wie er und sein Bruder nach dem Tod des Vaters gemeinsam das Haus, in dem er gehaust hat, ausräumen und entrümpeln. In „Lieben“ steht dagegen Knausgårds zweite Ehe im Mittelpunkt, die Erziehung der gemeinsamen Kinder, aber auch die psychische Erkrankung seiner Ehefrau Linda. Von all diesem berichtet Karl Ove Knausgård mit einer schonungslosen Offenheit. Er ändert keine Namen, selbst kleinste Alltagsbanalitäten beschreibt er ohne Rücksicht auf Verluste und nie in dem Bemühen, sich selbst oder irgendjemand anderen positiv darstellen zu wollen.

Der autobiographische Charakter von „Min kamp“ hat speziell in Norwegen für großes Aufsehen und viel Diskussionsstoff gesorgt. Knausgårds Onkel ist an die Öffentlichkeit gegangen. Er hat mit einer Klage gedroht. Die gesamte Familie von Karl Ove Knausgård  stand plötzlich im Zentrum medialen Interesses.

Karl Ove Knausgård spielt mit Konventionen, beim Lesen seiner beiden Romane „Lieben“ und „Sterben“ habe ich mich immer wieder wie ein Voyeur gefühlt, der etwas Verbotenes tut. Sprachlich üben seine Texte eine hohe Faszination auf mich aus, aber was ist mit seiner moralischen oder ethischen Komponente? Möchte ich überhaupt wissen, wie es in Knausgårds Wohnzimmer aussieht, ob er seinen Kindern selbst die Windeln wechselt? Entwertet er mit diesen Banalitäten möglicherweise die Literatur? Ich habe keine Antworten auf diese Fragen, ich habe lediglich ein Gefühl: ich habe Karl Ove Knausgård gelesen und ich war fasziniert, begeistert, gebannt.

KOK_Cover

Knausgård hat sich entschieden, sein Innerstes, sein ganzes Leben und sich selbst vollständig zu entleeren und alles aufs Papier zu bringen. Für die Ewigkeit festgehalten. Das Resultat dieses wahnhaften Schreibprozesses mag ein Gefühl der Reinheit und Freiheit gewesen sein, doch Interviews mit ihm legen den Eindruck nahe, dass er dafür einen hohen Preis zahlen musste: „a sell-out of the soul.“

„I am happy because I am no longer an author.“

Das sind die Worte, mit denen Knausgårds letzter Band endet. Ich kann nur hoffen, dass zumindest dieser Satz Fiktion sein mag und dass Karl Ove Knausgård jetzt gerade in diesem Moment in seiner Schreibwohnung sitzt und an seinem nächsten Buch schreibt.

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Mara und ihre Bibilothek wird heute auf kbvollmarblog vorgestellt.
Mara stellt heute Johan Harstad auf Buzzaldrinsblog vor.

© Text und Fotos: Mara Giese, 2012

26 thoughts

  1. Schön, dass Dina Maras Besprechung von Knausgard hier bringt und damit einen in Deutschland weitgehend unbekannten zeitgenössischen norwegischen Autor vorstellt. Knausgards Romane empfinde ich als ein Experiment mit Formen und Inhalten, zum Entspannungslesen völlig ungeeignet. Aber ich finde es bewundernswert, dass auch noch Autoren veröffentlicht werden, die keine Chance haben, in die Bestsellerlisten zu gelangen. Insofern auch ein großes Lob dem Luchterhand Verlag.
    Ich bislang habe nur längere Auszüge aus Knausgards Büchern gelesen, wobei mir einige Stellen so privat vorkamen, dass es mich nicht interessierte. Spannend finde ich das Projekt von “Min kamp” als Ganzes, als ein Projekt, bei dem sich ein Autor bewusst um Kopf und Kragen schreibt. Der Urheber hebt sich selber auf. Das ist doch revolutionär im Buchgeschäft, wo gerade bei Autorinnen und Autoren die gegenteilige Haltung vorherrscht: Man nacht sich wichtig, baut sich als den Übermenschen auf.
    Herzlichen Dank für diese Vorstellung
    Klausbernd

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  2. Ich habe es auf meine Wunschliste gesetzt, mich interessiert zuerst einmal „Alles hat seine Zeit“, dann kann ich mich immer noch entscheiden, mehr auf die Wunschliste zu setzen. Danke für den Tip.
    Einen schönen Tag wünscht Susanne

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    • Liebe Susanne,
      ich wünschte du könntest mein freudestrahlendes Gesicht sehen, ich freue mich sehr darüber, dass du “Alles hat seine Zeit” auf die Wunschliste gesetzt hast und ich glaube, dass dir das Buch auch gefallen könnte. 🙂 Bitte berichte doch bitte!
      Ganz lieben Dank für all deine lieben Worte an den unterschiedlichen Orten in den letzten Tagen.
      Mara

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    • Ui, danke für diesen tollen Link, Dina – wie konnte mir das als großer Knausgard Fan denn bisher entgehen? Ich freue mich schon sehr darauf, heute Abend in Ruhe, mal einen Blick in den Bericht zu werfen. 🙂

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    • Oh Mara, das freut mich aber! Ich hoffe, es hat dir gefallen!
      Alles Gute,
      jetzt schnell weg… zum letzten Arbeitstag des Jahres. 🙂
      Dina

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  3. Wie schön, jetzt fühle ich mich nicht mehr so allein als absoluter Fan von Karl Ove Knausgard! Toller Artikel!
    Ich bin auch völlig begeistert von diesem faszinierenden Autor und hatte sogar die Gelegenheit, ihn zu interviewen: http://buchblinzler.blogspot.de/2012/04/mein-interview-mit-karl-ove-knausgard.html. Und seine Bücher habe ich natürlich auch rezensiert – einfach die Suchfunktion meines Blogs nutzen oder bei Amazon die Rezensionen von Gospelsinger lesen…
    Der Verlag hat mir übrigens auf Nachfrage mitgeteilt, dass auch die restlichen vier Bände in Deutsch erscheinen werden!

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    • Liebe Petra,
      wow, was für ein tolles Gefühl hier durch Zufall auf einen ähnlich großen Knausgard zu treffen, wie ich es bin. 🙂 Du hast ihn sogar interviewen dürfen? Wow! Wie hat sich das damals ergeben? Ich bewundere dich sehr, dass du dich das getraut hast und hätte selbst wahrscheinlich nicht den Mut dazu gehabt, schon allein deswegen, weil mein Englisch nicht das beste ist.
      Danke auch für die guten Nachrichten bezüglich der restlichen vier Bände – hast du eine Ahnung, wann diese denn erscheinen werden?
      Liebe Grüße
      Mara

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    • Hallo Petra,
      ich habe mich ebenfalls über deinen Besuch und den feinen Kommentar gefreut. Wie ich dich beneide”
      Einen schönen Blog hast du, bin froh, dass ich den “entdeckt” habe.
      Herzliche Grüße
      Dina

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    • Liebe Mara,
      das Interview hat mir der Verlag auf Anfrage vermittelt, es fand nach der Buchvorstellung statt. Ich spreche fließend Englisch, aber ich hatte richtige Probleme, mich auf meine Fragen zu konzentrieren. Dieser Mann hat eine so unglaubliche Ausstrahlung, und diese Augen….
      Ich vermute, dass der nächste Band im Herbst 2013 erscheint, zur Buchmesse. Bei den
      norwegischen Büchern dauert das länger, weil es weniger Übersetzer gibt. Ich bekomme die Verlagsvorschauen, kann dann also gleich hier posten, wenn das Buch angekündigt wird.
      Liebe Grüße und schöne Weihnachten,
      Petra

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  4. 3500 Seiten! Das wäre als Leserin dann auch “min kamp”! Definitiv nichts für mich, auch wenn es sich um mehrere Bände handelt, die man in Abständen verdauen kann. Trotzdem vielen Dank für diesen Beitrag.

    Liebe Grüsse
    buechermaniac

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    • Liebe buechermaniac,
      dicke Bücher schrecken mich nicht ab, vor allem dann nicht, wenn man sie in leicht verdaubaren Portionen genießen kann. 😉 Schade, dass Knausgard nichts für dich ist. Geschmäcker sind verschieden und er ist in der Tat schon sehr speziell.

      Viele Grüße
      Mara

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  5. Knausgård er en omdiskutert forfatter i Norge. Det å bruke sine “omgivelser” så detaljert som en del av persongalleriet i bøkene er en av tingene presse/lesere har reagert på. Bøkenes tittel er jo også litt kontroversiell….
    Uansett, flott innlegg!
    Ha en fin fredda’!

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    • Takk skal du ha, Hans.
      Ja, jeg kan godt huske hvordan reksjonene hjemme var da de förste bökene kom ut. Dette äret var han pä utsalg… 🙂
      Ha en god helg.
      Hanne

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  6. …diese spannende Vorstellung eines mir bisher noch völlig unbekannten Autors hat mich jetzt so fasziniert, dass ich mich mal weiter “schlau” machen und in seine Bücher reinlesen werde. Der Gedanke des absolut kompromisslosen Schreibens, “um Kopf und Kragen”, einfach ALLES rausschreiben – und gerade das extrem Private, Persönliche – ich glaube, das ist es, was mich jetzt sehr neugierig gemacht hat. Danke für diesen Bericht, liebe Mara 🙂 und..du hast einen so tollen Hund 🙂

    Viele liebe Grüße an Euch beide,
    Ocean

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  7. Thanks for introducing me to contemporary writers in Scandinavian literature. I look forward to following your posts in the future.

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  8. Pingback: BuchSaiten.de fragt rund um das Buch und ich zeichne – Susanne Haun « Susanne Haun -> Drawing -> Zeichnung -> Dibujo -> 水彩画

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